Der Teilnehmerkreis bestand aus Fach- und Führungskräften sozialer Träger, Bildungsträgern und Vertretern verschiedener regionaler Jugendämter. Vertreter*innen von Schulen konnten wir leider nicht als Gäste begrüßen. Der Fachtag hatte das Ziel Perspektiven zu erweitern, gute Entwicklungen und wichtiges anstehendes Verbesserungspotential zu zeigen.
Die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen zeigen, dass dies gelungen ist:
- Wir machen uns Gedanken, was Menschen brauchen, ohne zu diese zu hören und zu beteiligen. Das ist paradox!
- Vor allem die konkreten Praxistipps im Umgang mit Asperger waren sehr hilfreich
- Tolle Vorträge, ein Blick auf Inklusion aus verschiedenen Perspektiven
- Aufschlussreicher Eröffnungsvortrag von Herrn Kohl und Frau Peinel
- Eine gute neue Sicht auf ADHS
- Rege Diskussion zum Thema Inklusion in den Kleingruppen
Vortrag Autismus – Verstehen und Empathie – Leo M. Kohl und Franca Peinel
In ihrem Vortrag berichten Franca Peinel und Leo M. Kohl über die Lernhürden, die eine Regelschule für Menschen aus dem Autismus-Spektrum, insbesondere Asperger Autisten, mit sich bringt. Insbesondere der Wechsel von Frontalunterricht zu Gruppenarbeit erschwert das Lernen für Schüler*innen mit Autismus. Sie wünschen sich, dass es keinen „Inklusionszwang“ gibt, sondern die Entscheidungsfreiheit für Eltern, wo ihre Kinder unterrichtet werden. Förderklassen, die zwei Lehrkräfte, weniger Schüler*innen und insgesamt eine reizärmere Umgebung bieten, halten sie für Menschen mit Autismus geeigneter. Diese könnten auch an Regelschulen sein, so dass soziale Kontakte zu anderen Schüler*innen auf dem Schulhof möglich sind. Einschränkend scheint hier auch der Föderalismus beim Thema Bildung zu sein. Jedes Bundesland hat andere Entscheidungen zum Thema Inklusion getroffen. Wichtig ist ihnen auch, dass die Individualität und die „Eigenheiten“ beachtet werden. Daraus soll sich jedoch keine Untätigkeit ergeben, sondern Lernmöglichkeiten und Anforderungen zur Weiterentwicklung im Rahmen der individuellen Eigenheiten.
Ergebnisse der Workshops im Plenum
Die Workshops wurden nach der Walt Disney-Methode in drei Bereiche unterteilt:
Die Optimisten, die Realisten und die Pessimisten.
Die Arbeitsfrage war „Wo steht die Inklusion in 10 Jahren?“
Die Optimisten haben ein Schulsystem entwickelt mit kleineren Klassen, mehr Lehrkräften und Pädagogen. Sie sehen variable Räumlichkeiten, um den individuellen Bedürfnissen und Lernverhalten entsprechen zu können. Die Realisten befürchten wenig Veränderung, eher eine Stagnation des Ist-Standes. Schön wäre es, wenn der Fachkräftemangel behoben werden könnte. Die Pessimisten sehen eine Tendenz zu Privatschulen, in denen Eltern ihre Kinder einschulen, um dem „Inklusionszwang“ zu entgehen. Somit verringern sich inklusive Berührungspunkte weitgehend.
Forderung der Kleingruppen
Allen Gruppen gemein ist, dass sie glauben das Schulsystem müsse sich ändern und die Kooperationslage zwischen Jugendhilfe und Schulsystem müsse dringend weiter ausgebaut werden.
Eckpunkte zum Vortrag von Jennifer Kreim zum Thema AD(H)S – Was ist los in meinem Kopf
Der Vortrag von Jennifer Kreim enthielt die Grundlagen zum Thema AD(H)S. Sie beschrieb die persönlichen Faktoren und die Umweltfaktoren, sowohl familiär als auch schulisch, die ein AD(H)S bedingen können. Beachtung fanden auch die möglichen Komorbiditätsstörungen oder die Erkrankungen, die fälschlicher Weise für AD(H)S gehalten werden. Besonders wichtig waren ihr die positiven Eigenschaften und Ressourcen der Kinder mit AD(H)S und die Haltung der Gesellschaft zu dieser Erkrankung. So wurde bei einer Studie festgestellt, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, bei denen AD(H)S von Vorteil und nicht von Nachteil ist. Die Rahmenbedingungen der Institution Schule ist insgesamt belastet, so dass gerade Kinder mit AD(H)S den Lehrkräften negativ auffallen, weil sie stören. Gäbe es bessere Rahmenbedingungen und eine bessere Ausbildung für Fachkräfte, könnte diesen Kindern besser entsprochen und die Vorteile ihrer Verhaltensweisen gewinnbringend genutzt werden.
Resümee des Fachtages
Es gibt zum Thema der Inklusion zum heutigen Zeitpunkt viel zu sagen und auch zu diskutieren, das hat v.a. der Beitrag von Leo M. Kohl und Franca Peinel gezeigt. Beide haben auf sehr transparente und bewusste Weise gezeigt, dass die von Inklusion betroffenen Personen zu wenig gefragt werden und die Partizipation im Gesamtprozess zu gering ist. Die drei Perspektiven in den Workshops haben im Gesamtergebnis gezeigt, dass es viele Potentiale gibt, die kritisch beäugt werden sollten und realistisch umgesetzt werden können. Das Thema ADHS sollte aus der Mangelsicht in die Potentialsicht gehoben werden, um die persönliche Entfaltung und Gesundheitsfürsorge gut miteinander zu vernetzen. Grundsätzlich sollte die Inklusionsbewegung darauf achten, nicht an den Betroffenen vorbei zu agieren und dabei das Wichtigste aus den Augen zu verlieren angetrieben vom Aktionismus.
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