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Verfahrenslotsen 2024: Herausforderungen und Chancen in der inklusiven Jugendhilfe

Ab dem 01.01.2024 treten die Neuerung für die Verfahrenslotsen für die Praxis in Kraft. Dies ist bereits ein großer Themenbereich für die inklusiven Kinder- und Jugendhilfeträger und langfristig auch für die gesamte Trägerlandschaft.

Ab dem 01.01.2024 treten die Neuerung für die Verfahrenslotsen für die Praxis in Kraft. Dies ist bereits ein großer Themenbereich für die inklusiven Kinder- und Jugendhilfeträger und langfristig auch für die gesamte Trägerlandschaft.

Die bisher etwas undurchsichtige Funktion hat im Laufe der Umsetzungsdiskussion immer weitere Konkretisierung erfahren. Nachdem das BMFSFJ die Zeiträume für die Qualifizierung der Verfahrenslotsen und einen Werkzeugkoffer zur digitalen Unterstützung der Tätigkeit der Verfahrenslotsen ab dem 01.01.2024 terminiert hat, ist damit der finale Startschuss für die Funktion zum Jahresbeginn 2024 in sehr große Nähe gerückt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter hat eine Empfehlung erarbeitet und auch bereits veröffentlicht, welche den Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII in seiner konkreten Umsetzung zum Inhalt hat.

Um was geht es bei den Verfahrenslotsen?

Die wichtigen ersten Eckdaten sind dabei § 10b Abs. 1 und 2 SGB VIII. In den beiden Absätzen werden die Zielgruppen und die Aufgabenbereiche konkretisiert. 

Die Zielgruppen sind alle jungen Menschen mit (möglichen) Leistungsansprüchen der Eingliederungshilfe gemäß SGB IX bzw. § 35a SGB VIII (ggf. i.V.m. § 41 SGB VIII) und deren Familien. Darunter fallen auch die die Erziehungs- und Personensorgeberechtigten, sowie Pflegeeltern und alle Personen, die eine entsprechende Erziehungsvollmacht haben. Wir können hier einen sehr weiten Personenkreis zusammenfassen. Bei den jungen Volljährigen haben wir auch eine Zielgruppendefinition, da die Zuständigkeit eines Verfahrenslotsen auch über die Volljährigkeit bestehen kann. Dies ist eine wichtige Neuerung für die Träger, da wir ansonsten eine Beendigung der Zuständigkeit des Jugendamtes mit Vollendung des 18. Lebensjahres kennen. Die erweiterte Betreuung bedarf auch einer erweiterten pädagogischen Handlungsweise, da auch neue Akteure wie z.B. der gesetzliche Betreuer einbezogen werden müssen.

Adressat der zweiten Aufgabe des Verfahrenslotsen (vgl. § 10b Abs. 2 SGB VIII) ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Aufgrund des Auftrages, den Transformationsprozess innerhalb der Verwaltung zu unterstützen, ist davon auszugehen, dass die konkrete Zielgruppe die Stellen sind, welche beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe über entsprechende Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse für die strategische Ausrichtung verfügen. Dabei könnte es sich z.B. um den Jugendhilfeausschuss, die Dezernentenebene, die Jugendamtsleitung oder auch die Jugendhilfeplanung handeln. [1]

 

Der Verfahrenslotse hat im Wesentlichen zwei Aufgaben: Zum einen unterstützt und begleitet er junge Menschen sowie deren Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigten bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII und Teil 2 SGB IX (§ 10b Abs. 1 SGB VIII). Zum anderen unterstützt er den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen in dessen Zuständigkeit (§ 10b Abs. 2 SGB VIII).[2]

 

Den Verfahrenslotsen kommen somit vielfältige und wichtige Rollen bei der Umsetzung der inklusiven Lösung zu. Sie übernehmen eine Schnittstellenfunktion im Kontakt zwischen Hilfesuchenden, Leistungsträgern und den Ämtern inne, da sie auch die Veränderungsprozesse innerhalb der Verwaltungsstrukturen unterstützen sollen. Daher erscheint das Anforderungsprofil und im Zuge dessen auch das Qualifizierungsprofil, an die jeweiligen Fachkräfte sehr komplex und muss, auch aufgrund der bisherigen Kritik, weitestgehend bundeseinheitlich gestaltet sein. Hierzu hat das Projekt iResA den Aufbau der jeweiligen Werkzeugkoffer in den vergangenen zwei Jahren geleistet.

Die bisherigen Ergebnisse sowie die noch bestehende Roadmap finden Sie unter: www.verfahrenslotse.org

Auch wenn sowohl das Curriculum als auch die Fortbildungsmodule bereits ihr „Roll out“ erfahren haben, täuscht dies nicht über das benötigte umfassende Kompetenzprofil hinweg. Es bedarf sowohl umfassender fundierter Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen im Sozialen Rechtsbereich, als auch Kenntnisse und berufliche Erfahrung der Bedarfe der jeweiligen definierten Zielgruppen. Zu guter Letzt müssen noch hervorragende Kommunikationskenntnisse und auch mindestens Grundkenntnisse der behördlichen Verwaltungsstrukturen und deren Abläufe hinzukommen.

Genauer betrachtet entspricht dieses Anforderungsprofil einem Change-Manager, einem Sozialarbeiter oder Sozial-Pädagogen, einen Kommunikationspezialisten und einem Verwaltungsfachwirt in einer Person. Inwieweit dies gelingt und inwieweit nachgebessert werden muss, wird sich im kommenden Jahr zeigen.

Weiterhin bestehen aufgrund des Doppelmandats der Verfahrenslotsen noch weitere Punkte, welche die Wahrnehmung der Aufgabenbereiche und das Ausfüllen der Funktion in der Praxis wesentlich erschweren:

Die Zuordnung der Funktion im Jugendamt verringert den Handlungsradius in der Praxis sehr. Der unzureichende Überblick für die übergreifenden Rechtskreise mit den Unterschieden in den einzelnen Regionen steht der Zusammenführung und Abstimmung der einzelnen Leistungen der Hilfesuchenden in einzelnen Fällen sicherlich im Weg v.a. in Kombination der Implementierungen von neuen Verwaltungsstrukturen. Wenn eine Erneuerung der kommunalen Strukturen tatsächlich gelingen soll, dann braucht die Verankerung der Funktion eine weitreichendere Schnittstellenposition, die über eine örtliche Behörde hinaus geht. Der Blick muss über die örtliche und kommunale Selbstverwaltung hinsichtlich einer Metaposition geöffnet werden können. Damit kann der Blick befreit werden von den verschiedenen Individualitäten, hin zu einer übergeordneten überregionalen Struktur, welche dann auch den Betroffenen zugutekommen kann, da sie einheitliche und unabhängige Grundlagen für ihr Anliegen vorfinden.

Die doppelte Ausrichtung in der Beratung und für die Veränderungen der Verwaltungsstrukturen ergibt einen weiteren problematischen Umstand. In der Praxis kann oft eine starke örtliche Verwaltungspraxis angetroffen werden. Die Praxis der jeweiligen Behörde und die damit einhergehenden unterschiedlichen Ermessensspielräume geben den Entscheidungen eine regionale Note. Daher kann die Beratung vom Blick auf die Verwaltungsstrukturen völlig überschattet werden. Der Grund hierfür liegt in der Verortung der Verfahrenslotsen in und an den gegebenen Strukturen des jeweiligen Jugendamtes. Der Beratungsfokus des Verfahrenslotsen kann, mit einem anderen sehr großen Fokus, innerhalb der Beratung der Zielgruppen sein, um das beste Ergebnisse für die Beratenen zu erreichen. Das Beratungsergebnis kann bei einer unabhängigen Beratung sehr von den gegebenen Vorortstrukturen abweichen, wodurch das Beratungsergebnis womöglich nicht umgesetzt werden kann. Bleibt der Lotse in den Gegebenheiten der Region, kann das Ergebnis der Beratung also nicht die eigentlichen Möglichkeiten abbilden und dahinter zurückbleiben. Eine unabhängige Beratung erscheint auf dieser Grundlage in Grenzfällen sehr schwierig, da die Beratung sich auch gegen hausinterne Präferenzen des zuständigen Jugendamtes orientieren kann. Das Potential für Konflikte ist aufgrund dieser unterschiedlichen Perspektiven und auch Motivationen sehr groß. Es kann der Fall eintreten, dass die zu bewältigenden Aufgaben nicht mit den Zielen aller Beteiligten korrespondieren und so unterschiedliche Stellen entgegenstehende Eingaben machen. Die Verlierer sind an dieser Stelle die Betroffenen.

Es bleibt abzuwarten wie sich die qualifizierten Verfahrenslotsen positionieren können.

 


[1] Quelle: Empfehlung zur Umsetzung des Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII beschlossen auf der 133. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter vom 23. bis 25. November 2022 in Wiesbaden, Seite 9

 

[2] Quelle: Empfehlung zur Umsetzung des Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII beschlossen auf der 133. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter vom 23. bis 25. November 2022 in Wiesbaden, Seite 10

 

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